Nicht mehr ganz frisch

Richard O’Briens "The Rocky Horror Show" hatte im Hans-Otto-Theater Premiere

 

B E S E T Z U N G S L I S T E

Frank-N-Furter Wolfgang Menardi
Riff-Raff Philipp Mauritz
Magenta Sonja Grüntzig
Columbia  Katja Heinrich
Rocky Horror Wolfgang Schwingler
Eddie Sebastian Wirnitzer
Brad Majors Robert Putzinger
Janet Vice (sorry Weiss) Alexandra Röhrer
Dr. Scott Peter Donath
Erzähler Jörg Seyer
Platzanweiserinnen Katrin Schwingel
  Katharina Voß

 

Phantome: Susanne Arndt, Anjelica Conner, Anne-Marie Kluth, Nora Pichette, Linda Schmid, Matthias Barth, Christoph Letkowski, Raoul Mewes, Juan Mochales, Daniel Ruiz-Orellana

Regie: Philippe Besson
Bühne: Marianne Hollenstein
Kostüme:
Gabriella Ausonio

Musikalische Leitung: Peter Eichstädt

Livemusik: Band: The Clogs
Pete Oaktown (key), Frank B. Corner (dr), Ben D. Jacob (Guit), Oleg Saxman (sax), Peter Planet (bass)

(fotos: Stefan Gloede)


 
Der "Palace of Darkness" wünscht weiterhin viel Erfolg.

KRITIK UND PRESSESTIMMEN

Potsdamer Neueste Nachrichten; 17. Junil 2002

Nicht mehr ganz frisch
Richard O’Briens "The Rocky Horror Show" hatte im Hans-Otto-Theater Premiere

Von Carolin Lorenz

Der Reis ist am wirkungsvollsten. Schon vor Beginn der Show, im vollbesetzten Hans Otto Theater, sieht man einige Zuschauer an ihren mitgebrachten Plastik-Parboiled-Tüten nesteln, damit der schnelle Einsatz nicht verpasst wird. Und wenn die Kirche dann auf der Leinwand zu sehen ist und das Eheschließungszeremoniell seinen Lauf genommen hat, wird das Ritual denn auch geschlossen begangen: ein weißer Körnerregen gen Bühne setzt ein. Wasser wird auch noch ganz gut gespritzt, wenn die Verlobten Janet Weiss ( Alexandra Röhrer) und Brad Majors (Robert Putzinger) durch das nächtliche Unwetter irren. Die bunten Lämpchen kommen schon weniger zum Einsatz, und dass man auch Mehl mitbringen kann, stand nicht in der Vorankündigung zum Stück. Aber man kennt das Mitmach-Programm der "Rocky Horror Picture Show" als alljährliches filmisches Open-Air-Spektakel aus der Berliner Waldbühne.
Im Potsdamer Theater sollte es ein wenig gesitteter zugehen, das Publikum hatte sich schließlich auch keine Plastikmüllsäcke als Schutzumhang um die Schultern gelegt.
Ganz vereinzelt wurde in den hinteren Reihen dann noch ein bisschen gestäubt und eine junge Zuschauerin massierte ihrer Nachbarin mit beiden Händen kräftig Mehl ins lange Haar. Toilettenpapier fliegt dann wieder reichlich, wenn das künstliche Wesen Rocky (Wolfgang Schwingler) aus den weißen Stoffbahnen heraus gewickelt wird und auch mit Toastscheiben wird im Theaterhaus nicht gegeizt.

Bühnenskandal: vor 30 Jahren

Nun ist Richard O´Briens "Rocky Horror Show" - vor dreißig Jahren ein Londoner Bühnenskandal, ein großes Happening ums Anders-Sein, und auch darauf schon wieder eine Persiflage - in Potsdam angekommen.
Die Vorankündigung verspricht: "Ein bizarres Comedy-Nightmare, das alles bisher Dagewesene verblassen lässt." Auch das ist in Zeiten der kommerzialisierten Love-Parade natürlich ein Ulk-Zitat. Die Handlung ist bekannt bzw. seit Jahrzehnten Kult: Das brav-bürgerlich Jungverlobte Paar Brad und Janet kommen des Nachts vom geraden Weg ab und geraten in ein "Lustschloss". Hier treffen sie auf Franken-N-Furter, einen Transvestiten, nebst seinen Horrorgestalten, hier wird die freie Liebe, egal ob hetero- oder homosexuell, praktiziert, es wird in bio-chemischen Laboren gewerkelt und kräftig geklont. All diese neuen Eindrücke, mitten hinein verwickelt ins Geschehen, versetzen das junge Paar in allerlei Irritationen. Ganz wichtig dabei ist die Musik: Chuck Berry, Jerry Lee Lewis, Fats Domino.
An der "Rocky Horror Show" wird die wechselseitige Beeinflussung von Kino und Theater gut sichtbar - O´Briens Hintergrund bildeten die B-Movies (billig und schnell gedrehte Filme; entsprechen in etwa den heutigen Fernsehserien), Regisseur Philippe Besson inszeniert auf großer Bühne multimedial mittels Videoinstallation (Marek Helsner) und lässt mehrere Vorhänge fallen, bis schließlich die Band "The Clogs" sichtbar wird, die an diesem zweistündigen Premierenabend am Freitag für besten Sound sorgt. Die Verführungsgeschichten sind witzig-niedliche Schattenspielchen, für den Laborversuch wurden riesige Apparate-Karikaturen (Bühne: Marianne Hollenstein) gezimmert, die dotterblonde, Muskelprotzende Neuschöpfung Rocky ( Wolfgang Schwingler) entsteigt einem fahrbaren Brutschrank. Die Show lebt , wie es sich gehört, von Glitzer und Glimmer, von grellen Masken und Perücken, Netz und Straps und Federboa (Gabriella Ausonia, Kostüm: kräftig geschminkt wurde von Franziska Berger, Beatrix John, Klaus Friedrich und Klaus Kupfahl).
Das Ensemble gibt sein Bestes, schön schrill und immer ein bisschen überdreht zu sein. Jörg Seyer schlägt sich bestens als geheimnisvoller Erzähler, immer einen Anklang ans Schlüpfrige in der Stimme. Wolfgang Menardi agiert als verspielt-lasziver Frank-N-Furter, wenn er in seinem schwarzen Glitzerdress den Laufsteg, hinein in den Zuschauerraum, überquert. Die Choreografie der Show (KAA Rehberg/Bettina Dirnstorfer) ist gelungen und die Tänzerschar der "Phantome und Transsylvanier" ist in Bestform. Und, wie eingangs berichtet, das Publikum macht mit.

Ein bisschen abgestanden

Es liegt wohl in der Natur der Sache, dass solch ein Happening, mit allen Finessen inszeniert, nach dreißig Jahren nicht mehr ganz frisch ist und unweigerlich etwas von diesem Weißt-Du-noch-wie wild-wir-damals-waren in sich birgt. So ein bisschen was Abgestandenes. Eine Mitmach-Show, die ob ihres Reiskörner-Werfens etc. inzwischen selbst einer gelungenen Persiflierung bedürfte. 


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